Sonntag, 15. September 2013

Willkommen und Abschied

Ich weiß, die Überschrift ist nicht besonders kreativ und es hat schon einmal jemand dieselben Worte verwendet, aber ich finde sie ziemlich passend und wenn ihr wissen wollt, warum, dann müsst ihr nur diesen Post weiterlesen :-)
In den letzten zwei Wochen haben Lisa und ich uns eine Art Alltag eingerichtet. Hof fegen, Arbeit in den Departments, später auch Gujaratiunterricht und dazwischen Erkunden der Stadt, die Suche nach dem besten Essen oder einfach nur auf dem Balkon sitzen und, gekühlt vom Ventilator, Lesen der zahlreichen Bücher aus unserer "Privatbibliothek". Auch die Registrierung bei der Polizei haben wir inzwischen hinter uns: ein großes bürokratisches Durcheinander mit lagen Wartezeiten und vielem Hin und Her.
Doch vor einigen Tagen änderte sich die Situation. Zuerst kamen Judith und Romolo aus Deutschland und Amerika, um an dem morgen beginnenden International Non-Violence Workshop teilzunehmen. Am Tag darauf kamen noch zwei Leute und inzwischen sind wir zu zehnt, eine internationale Gruppe (Deutschland, Amerika, Australien, Mexiko und Brasilien) und heute sollen noch einige Leute mehr kommen. Neue Gesichter, neue Geschichten und Gedanken, viel Freundlichkeit und Gelächter erfüllen jetzt den Durchgangsbalkon vor unserem Zimmer. Wir sitzen jetzt täglich zusammen an den drei Tischen, die hier stehen, essen zusammen in der Kantine und trinken auch mal einen Chai.
Vorgestern wurden wir von unseren mexikanischen Nachbarn zu einem Abendessen in das Shiva Cafe eingeladen, ein interessantes Projekt, das auf dem Prinzip des freiwilligen Gebens basiert. So besteht das Personal, abgesehen von einem oder zwei fest Angestellten, ausschließlich aus Freiwilligen, die jeden Abend ein anderes Mehrgängemenü für die Gäste zubereiten, von dem man so viel essen kann, bis man satt ist und sich selbst aussuchen kann wie viel man dafür bezahlt. Die Philosophie des Cafes beruht also darauf, dem Gast das Essen als Geschenk zu geben, ohne die Erwartung einer Gegenleistung, was bekanntlich die höchste Form des Gebens ist. Der Gast entscheidet dann, wie viel ihm das Geschenk wert ist, wie viel er dafür zurückgeben kann und will. Somit entsteht ein Kreislauf, in dem Gäste, die mehr haben, im Vorraus für die bezahlen, die wenig oder nichts besitzen und diese dann die Möglichkeit haben, satt zu werden. Ein meiner Meinung nach sehr schönes Projekt, das den Geist des Hinduismus und vieler anderer Religionen besser wiedespiegelt als viele andere, auch religiöse, Projekte und Einrichtungen.
Gestern hat uns Pushbak dann zur Alpha-Mall verfrachtet (habe ich dirse schon erwähnt? Angeblich dir größte un Ahmedabad, was man bei ihrem Anblick gerne glaubt, und mit vielen teuren, westlichen Geschäften). Zuerst wussten wir nicht viel damit anzufangen. Markenklamotten brauchen wir hier nicht, alles ist vergleichsweise teuer, also haben wir das Abenteuer "Supermarkt" gestartet, was tatsächlich eins war, was jeder weiß, der schon einmal mit einer Gruppe von neun Leuten irgrndwo einkaufen war. Nach einem Abendessen im Foodcourt ging es schließlich doch zum kurzen Geschäfteanschauen und danach wieder nach hause, was abends rikshatechnisch nicht immer einfach ist, da die Fahrer sich fast immer weigern, mit Taxameter zu fahren und "fixed prices" verlangen, die meist mindestens das Doppelte des eigentlichen Preises darstellen. Doch wochenlanges Handeltraining hat sich bezahlt gemacht und nach einigem Gerede und dem Einsatz meiner neu erworbenen Gujaratikenntnisse, fiel der Preis plötzlich von 100 auf nur 60 Rupien pro Riksha und bescherte uns eine schöne Fahrt nach hause durch das nächtliche Ahmedabad, welches mit all seinen Lichtern und dem ausnahmsweise einmal nicht ganz so dichten Verkehr (trotzdem haben wir beinahe fast einen Motorradfahrer erwischt, was hier aber nicht ungewöhnlich ist, sodass ich persönlich Menschen mit Herzfehlern oder erhöhtem Infarktrisiko das Rikshafahren nicht empfehle ;-) ) wie immer einen wunderschönen Anblick bot.

Auf der einen Seite gabt es in den vergangenen Tagen also wieder viel Neues zu entdecken, auf der anderen hieß es aber auch Abschied nehmen. Abschied von meinen lieben Mitarbeitern im Book Shop, die immer mit viel Vergnügen meine Gujarativortschritte verfolgt haben und mich nie durstig oder hungrig ließen. Am letzten Tag gab es also ausnahmsweise mal von mir etwas zu essen und zwar eine riesige Platte mit frisch gekauftem und in härtester Handarbeit geschnittenen Obst, über die sich alle ziemlich freuten und mir als Rückabschiedsgeschenk ein Eis spendierten. Auch mussten wir Abschied nehmen von unserem Gujaratilehrer, welcher uns als großen Höhepunkt unserer Gujaratipeoplestudien ein für unsere Region typisches Mahl bereitete und uns in die Geheimnisse des Gastgebens und des Gastseins einweihte. Nur so als Kommentar nebenbei für alle Naschkatzen unter euch: man isst hier das Dessert vor dem eigentlichen Essen ;-) So hat alles traurige also auch seine schönen Seiten und wieder einmal viele Einladungen, doch mal zu Besuch oder zum Essrn zu kommen.

Heute ist unser letzter freier Tag, bevor morgen Mittag das Seminar beginnt und wie endlich alle wichtigen Informationen, unseren Tagesplan und viele neue Gedanken und Eindrücke bekommen.

Liebe Grüße,
Euer pineapplechen

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